Die Abzocker ?
Was die Zahnärzte verdienen
Unter dem Titel "Drei endlos lange Stunden beim Zahnarzt" hat der Journalist Peter Bachér vom Springer Verlag in der Hamburger Wochenzeitschrift "Welt am Sonntag" einen Kommentar veröffentlicht, den wir mit seiner Genehmigung nachfolgend ungekürzt veröffentllchen. (Die Redaktion )
Irgendwann blickte ich entnervt auf die Uhr, geblendet von der hohen Lichtintensität
der Operationsleuchte.
Drei Stunden waren nun schon vergangen, drei quälend lange Stunden. Der Mann mit
Mundschutz und mit Latex-Handschuhen steht auf Atemnähe vor mir, kein anderer Fremder
kommt mir je so nahe.
Eine beklemmende Ruhe herrscht im Zimmer, nur der Diamantschleifer ist zu hören
drei endlos lange Stunden beim Zahnarzt.
Drei Stunden, in denen er eine Brücke baut, mit Silikonabdruck, mit Laserstrahl, mit
Röntgen, mit all den Wunderwaffen der modernen Medizin.
Drei Stunden höchster Konzentration. Was ist, wenn der Bohrer abrutscht? Wurde nicht
gerade ein Arzt verklagt, weil er aus Versehen einem Patienten in den Gaumen geschnitten
hatte?
Als ich mich einmal etwas aufrichte, bittet er um Ruhigstellung. "Wir bewegen uns
schließlich im tausendstel Millimeterbereich", sagt er zur Erklärung.
Seltsam, wie die Gedanken wandern. Vor dem Fenster steht ein strahlender Sommertag.
Geschenkt! Jetzt müßte man auf Sylt sein aber was wäre Sylt mit Zahnschmerzen?
Endlich geht zuende, was ein Martyrium war trotz computergesteuerter Fräsung,
trotz Betäubung, trotz aller Behutsamkeit. Endlich sagt er: "Das wars!"
Nach drei Stunden totaler Konzentration höre ich nur dieses knappe: "Das
wars."
Ich erhebe mich aus dem Stuhl, in dem ich halb saß, halb lag, ich schwanke etwas, die
Spritze wirkt noch nach; ich will in einem Anflug von Selbstmitleid über mich sprechen,
aber dann denke ich doch an ihn, als ich in sein erschöpftes Gesicht blicke: "Wie
halten Sie das eigentlich durch, Herr Doktor?"
"Das macht das Training", antwortet er nur, mehr sagt er nicht.
Ich denke: Wie oft werden sie gescholten, die Ärzte, die Zahnärzte, die ständig im
Niemandsland zwischen Gesundheit und Krankheit arbeiten, wie streitet man um ihre
Honorare. Und dann sehe ich kurze Zeit später in einer Boutique irgendeinen läppischen
Cashmere-Pullover der mehr kostet als die Brücke, dieses Meisterwerk der Präzision.
Als ich am nächsten Tag einen Blumengruß schicke, "aus Dankbarkeit", da ruft
er zurück, bedankt sich seinerseits, so etwas hätte er lange nicht erlebt. Meine Neugier
ist geweckt, ich horche mich um, ob es denn heute noch "dankbare Patienten"
geben würde. Und ich erfahre, dass sich das Verhältnis Arzt-Patient
"gewandelt" habe, der Patient strebe heute mehr nach "Partnerschaft",
er sei auch "kritischer" geworden, was immer das alles sein mag.
Und schließlich würden die Ärzte ja Rechnungen verschicken, damit sei ja wohl alles
abgegolten, nicht wahr?
Wirklich "alles"? Ich kam mir mit meinem Blumenstrauß plötzlich ganz
altmodisch vor, weil ich dachte, daß Ärzte, die das Elend der Krankheit und die
Schmerzen der Patienten immer vor Augen haben, eigentlich ein bißchen mehr verdienten als
nur das, was sie verdienen...
(Peter Bachér)
Honorarvergleich Klempner/ Arzt
Ich verfolge als kleiner Zahnarzt unsere hohe Standespolitik seit Jahren und bin
entsetzt, wie sehr sie sich immer mehr in der Ideologie verrennt. (Direktabrechnung,
Kosten für Abdruckmaterial etc.)
Inzwischen sind uns von den Kassen Honorare aufgezwungen worden, über die jeder
Handwerker lachen würde.
Ein Klempner berechnet heute 60 DM die Stunde oder 1 DM die Minute für jeden Gesellen
zuzüglich Material oder zuzüglich 20 Prozent Aufschlag, wenn das Material nicht
berechenbar, da zu viele Kleinigkeiten.
Um meine Praxis und eine vernünftige Zahnheilkunde betreiben zu können, brauche ich:
Abrechnungsfähige Leistungen darf nur der Zahnarzt erbringen.
Eine Helferin mit drei Lehrjahren ist einem Klempnergesellen sicher vergleichbar, genauso
wie ein Zahnarzt (der sich selber sicher lieber mit einem Edeltechniker der Dental- oder
Computerbranche 160 DM/h verglichen sehen will).
Diese Rechnung weitergedacht, kostet die Minute in meiner Praxis 5 x 1 DM = 5 DM
zuzüglich 20 Prozent für Material (Einmalhandschuhe, Mundschutz, Speichelzieher,
Sterilisationsmaterial, Watterollen, Raummiete, Abschreibungen auf die nicht gerade
billige Einrichtung).
Verglichen mit einem Klempner kostet mich die Zahnarztminute 6 DM. Die einflächige
Füllung darf bei einer Bezahlung von 26,27 DM bei einem RVO-Patienten incl. Begrüßung,
Verabschiedung und Politur in gesonderter Sitzung nicht länger als 4,38 Minuten dauern.
Mist rein, wenn man nur Mist bezahlt bekommt?
Auch unter dieser Sicht sollte die Qualitätsdiskussion einmal gesehen werden. Man kann in
einer freien Wirtschaft nicht einen Mercedes verlangen, aber nur einen Polo bezahlen.
Welcher Klempner baut einen Heizkessel zum Einstandspreis ein und übernimmt dann auch
noch zwei Jahre Garantie?
Ich fände es gut, wenn die Kassen in eigenen Kliniken einmal versuchen würden, mit den
BEMA-Sätzen Heilkunde zu betreiben. Diese Kliniken kann kein Gesundheitssystem bezahlen.
Leider wird der Weg anders laufen: Ärzte und Zahnärzte in der Öffentlichkeit
unglaubwürdig machen, die Qualitätsnormen an dem absoluten Optimum ausrichten und die
Gebühren ermäßigen bis zum Crash.
(Dr. Rolf Middelhoff, Solingen)
Die Abzocker
Berichterstattung über den Streit um zahnärztliche Honorare und Falschabrechnungen
Heute morgen kam mein alter Patient Wilhelm B. in die Sprechstunde. Er war längere
Zeit nicht mehr da, sein Zahnersatz funktionierte 20 Jahre lang zufriedenstellend. Doch
jetzt ist die alte Modellgußprothese zerbrochen, nicht zu reparieren; eine neue Prothese
muß her.
Nach eingehender Beratung mache ich einen kostenlosen Heil- und Kostenplan;
der sieht so aus:
Zahnärztliches Honorar | 486,20 DM |
Material und Laborkosten | 717,95 DM |
macht zusammen | 1.204,15 DM. |
Die DAK zahlt 546 DM, für Herrn B. bleiben also 658,15 DM Eigenanteil.
"Das ist aber teuer!" sagt Herr B. "Ich habe ja schon in der Zeitung
gelesen, daß die Zahnärzte jetzt richtig zulangen."
Ich war etwas irritiert; daß Kassenfunktionäre und Medien auf die Zahnärzte
eindreschen, bin ich ja schon gewohnt. Neu ist, daß Patienten sich diesem Tenor
anschließen. Sinnierend blättere ich in den alten Kostenplan mit Rechnungskopie vom
16.August 1978 für exakt den gleichen Zahnersatz. Im Honorar ist auch die Gebühr für
das Ausstellen des Heil- und Kostenplanes enthalten:
Zahnärztliches Honorar | 449,43 DM |
Material und Laborkosten | 776,73 DM |
macht zusammen | 1.226,16 DM. |
Die DAK zahlt (80 Prozent) 980,93 DM, für Herrn B. bleibt demnach 245,93 DM.
Herr B. muß also für seinen Zahnersatz heute fast 2,7 mal soviel zahlen wie vor 20
Jahren.
Aber wo sitzt denn eigentlich der Abzocker?
Die Einkommen im öffentlichen Dienst stiegen von 1978 bis 1998 um rund 60 Prozent.
(Quelle: BBV, Nummer 175, 8/98)
Was verbleibt dem Zahnarzt von einer DM ?
Von jeder Mark, die der Zahnarzt einnimmt, müssen zunächst die Kosten für
Zahntechnik, Gehälter, Praxiseinrichtung, Darlehenszinsen, Raummiete, Versicherungen,
Material und die sonstigen Praxiskosten bezahlt werden.
Nach Abzug der Praxiskosten sind noch Steuern und die soziale Sicherung zu finanzieren.
Rechenbeispiel:
Die Kasse zahlt für eine zweiflächige Füllung | DM 36,00 |
Praxiskosten, Steuern, soziale Sicherung | DM 31,68 |
für den Zahnarzt bleiben | DM 4,32 |
Am Ende bleiben von einer Mark nur noch 12 Pfennige !
Das verbleibt dem Zahnarzt von einer DM !
Welches Honorar erhält der Zahnarzt denn nun wirklich?
Schätzen Sie auch so falsch?
Liebe Patientin, lieber Patient
Sie zahlen Ihrer Krankenkasse monatlich einen nicht geringen Beitrag. Dafür behandelt Sie Ihr Zahnarzt auf Krankenschein. Wissen Sie aber, was der Zahnarzt bezahlt bekommt, wenn er Ihren Zahn füllt oder wenn er Ihnen eine Spritze gibt? Fast 57% der Bundesbürger geben, zu, das nicht zu wissen. Und die anderen haben die abenteuerlichsten Vorstellungen über die Höhe der Zahnarzthonorare: Sie schätzen die Vergütungen für die einzelnen zahnärztlichen Leistungen durchschnittlich sechsmal höher, als die Krankenkassen tatsächlich bezahlen! Dies hat eine repräsentative Umfrage des renommierten Institutes Infratest enthüllt.
Für die zahnärztlichen Honorare müssen die gesetzlichen Krankenkassen zwar weniger als ein Zehntel ihrer Gesamtausgaben aufwenden. Trotzdem werden in Diskussionen über die Kostendämpfung im Gesundheitswesen die Vergütungen immer wieder hochgespielt. Sehr oft wird dabei jedoch ohne ausreichende Sachkenntnis und mit völlig falschen Vorstellungen über die Höhe der Zahnarzthonorare agiert. Wie die nun veröffentlichte repräsentative Umfrage deutlich zeigt, schätzen nur etwa 4 % der Bevölkerung in der Bundesrepublik und West- Berlin die Honorare, die der Zahnarzt für bestimmte Leistungen erhält, einigermaßen richtig ein.
Damit Sie künftig bei Diskussionen über Kosten im Gesundheitswesen nicht falschen oder böswilligen Argumenten auf den Leim gehen, sollten Sie hier einmal lesen, was die Repräsentativumfrage ergeben hat.
Dazu müssen Sie wissen: Für jede einzelne zahnärztliche Leistung zahlen die gesetzlichen Krankenkassen ein Honorar. Für einen Teil der Leistungen aber bezahlen sie dem Zahnarzt überhaupt nichts. Um die folgenden Beispiele zu vereinfachen, nennen wir nur das Honorar, das nach der Gebührenordnung dem Kassen-Bewertungsmaßstab bezahlt wird.
Diese beispielhaft genannten Honorare kann der Zahnarzt jedoch nicht ungeschmälert für sich behalten. Rund 70 % sind fällig für die laufenden Unkosten der Praxis. Der Praxisbetrieb verschlingt pro Stunde durchschnittlich Kosten in Höhe von 300, DM. Denken Sie nur an die Mitarbeitergehälter, die Kosten für Energie, Apparate und die teuren Reparaturen. Und vom verbleibenden Rest müssen sodann die Steuern bezahlt werden. Von dem dann noch verbliebenen Versteuerten sind die Beiträge zur Altersvorsorge und zur Krankenversicherung aufzubringen.
Wieviel bleibt dann wohl von den 35, DM einer Füllung übrig? Es sind weniger als 5, DM! Dagegen schätzten die befragten Bundesbürger, daß der Zahnarzt 156, DM einnimmt.
Sie sehen: Es bestehen ganz erhebliche Unterschiede zwischen den von der Bevölkerung vermuteten Honoraren und den tatsächlichen Vergütungen für zahnärztliche Leistungen. In der Bevölkerung unbekannt ist auch, daß während der letzten 10 Jahre die Vergütungen mehrfach herabgesetzt wurden. Die betriebswirtschaftlichen Grenzen sind bereits unterschritten, so daß die Praxen nicht mehr alle zu Ihrer Versorgung notwendigen Leistungen erbringen können.
Sind Sie jetzt immer noch der Meinung, daß die Honorare für zahnärztliche Leistungen überhöht sind?
Am Ende bleiben dem Zahnarzt von einer Mark
nur noch
1-2 Pfennige!
(Freier Verband Deutscher Zahnärzte e.V., Mallwitzstraße 16, 5300 Bonn 2, Oktober
1988)
Deutschland ist reich und die zahnärztliche Versorgung kostet der Bevölkerung nicht viel.
Wie reich ist Deutschland ?
Allein in 1989 legten die Bundesbürger 190 Milliarden, das sind 190.000 Millionen auf die
Sparkante.
Umgerechnet auf 60 Millionen Bundesbürger sind das 3.167 DM nur in diesem einen Jahr. Bei
7% Zinssatz werden jedes Jahr 222,- DM Zinsen eingestrichen.
1989 auf Sparkonten gelegt | 190 Mrd. DM | Diese 222,- DM Zinsen entsprechen fast den
Jahres-pro-Kopf-Ausgaben für die ganze zahnärztliche Versorgung. Also, allein aus den Zinsen des Geldes, das nur in einem Jahr beiseite gelegt wurde, wäre die Zahnversorgung fast zu begleichen. |
das sind | 190.000 Mio. DM | |
pro Einwohner | 3.167 DM | |
Zinsen davon pro Jahr bei 7 % |
222 DM |
Insgesamt jedoch haben die Bundesbürger 2.800 Milliarden DM auf der Sparseite !
Bei 5 % Zinssatz wären das pro Nase und jedes Jahr ca. 3.270,- DM an Zinsen.
Die Durchschnittseinkommen der Bundesbürger betragen 1990 - 1991: (Bruttojahresverdienst)
Arbeiter | nur der Mann verdient | ca. | 48.000,- DM |
Angestellter | nur der Mann verdient | ca. | 66.000,- DM |
Arbeiter | Ehepaar, beide verdienen | ca. | 83.000,- DM |
Angestellte | Ehepaar, beide verdienen | ca. | 110.000,- DM |
Wie wenig kostet die zahnärztliche Versorgung den einzelnen Bürger ?
Die zahnärztliche Versorgung kostet ...
... jeden Bürger | jedes Jahr | 270,- DM |
oder z. B.
... den Patienten, der kommt | im Quartal | 120,- DM | für die konservierende Behandlung. Bei Kostenerstattung muß dieser Betrag lediglich ein paar Tage vorgestreckt werden. |
... dem Prothetikpatienten | alle 10 Jahre | 400,- DM | Anteil aus der eigenen Tasche. |
Das sind doch wirklich keine Beträge. Jeder Handwerker nimmt das für eine kleine
Reparatur als "Begrüßungsgeld".
Für das Auto werden z. B. pro Monat !! ca. 500,- DM ausgegeben.
Was zahlen andere Länder ?
Für die medizinische Versorgung gaben aus:
USA | 2.051 | Dollar |
Schweden | 1.233 | Dollar |
Schweiz | 1.225 | Dollar |
Norwegen | 1.149 | Dollar |
Frankreich | 1.105 | Dollar |
BR Deutschland | 1.093 | Dollar |
Also: In den USA geben die Bürger fast das Doppelte aus wie die
Bundesbürger.
(1987 in Dollar je Einwohner, Umrechnung mit Kaufkraftparitäten)
Gevatter Tod dämpft Kosten
Ausspruch eines Universitätsprofessors:
"Der Patient wird nie erfahren,
welche Untersuchungen und Behandlungen ihm nicht zuteil werden."
Bei einer normalen Absterberate von einer Million Menschen per anno und einer
Durchschnittsrente von 1.600 DM bringt das ca. 10 Milliarden DM in die Kassen, wenn diese
eine Million 6 Monate früher stirbt. Ganz zu schweigen von den Milliarden an
Krankheistkosten (pardon: Gesundheistkosten), welche in diesem halben Jahr eingespart
werden.
Diese Berechnungsgrundlage dürfte die Basis aller Sparmaßnahmen sein.
Auch das Vorhaben, die Ärzte mit 65 bzw. 68 Jahren zu entsorgen, geht in diese Richtung.
Die älteren Ärzte könnten womöglich mehr Mitgefühl mit ihren älteren und kranken
Patienten entwickeln. George Orwell läßt grüßen. Das Pferd, welches sich krank
gearbeitet hat, wird zum Abdecker gebracht, und die Schweine sind eben etwas schlauer und
gleicher.
(Medical Tribune, 20. Mai 1994, "Alte Patienten sterben
lassen - Das rechnet sich", Dr. Hartmut Heinlein)